Der diesjährige Christopher Street Day (CSD) Ulm und Neu-Ulm war ein voller Erfolg: Bei sonnigem Wetter versammelten sich am Samstag, den 21. Juni, fast 7.000 Menschen in den Innenstädten – und damit deutlich mehr als die erhofften 4.000 Teilnehmenden.
Die Demonstrationsparade verwandelte die Straßen von Ulm in ein buntes Meer aus Musik, Glitzer und Regenbogenflaggen. Zwei aufwendig geschmückte Trucks – einer vom veranstaltenden Verein Pride Ulm.Neu-Ulm, der andere von den Clubs cocomo und EinsTiefer – sorgten gemeinsam mit einem SWU-Elektro-Bulli, zahlreichen Drag Queens und einer vier mal zehn Meter großen Regenbogenfahne für ausgelassene Stimmung. Viele Menschen reihten sich spontan vom Straßenrand in die Parade ein – ein starkes Zeichen für Offenheit und Solidarität.

Auf dem anschließenden Straßenfest auf dem Petrusplatz in Neu-Ulm wurde es eng: Der Platz war bis auf den letzten Meter gefüllt. Alpay Artun, Vorsitzender des Vereins Pride Ulm.Neu-Ulm e.V., eröffnete den CSD mit einer Rede über die Bedeutung des CSD.
„Keinen Schritt zurück – das ist unser Motto, und es ist ein Auftrag. Denn dieser CSD ist mehr als ein Fest. Er ist Erinnerung, Protest und ein Versprechen: Wir sind hier, wir bleiben – und wir gehen weiter.“
Auch in den politischen Grußworten wurde die Relevanz des CSD betont. So verwies Neu-Ulms OB Katrin Albsteiger auf die Vielfalts-Kampagne “Mia San Mehr” der Stadt Neu-Ulm und sagte mit Blick auf die Menschenmenge:
“Schön, dass so viele gekommen sind. Das ist ein wichtiges Zeichen für Vielfalt und Liebe. Wir sind mehr als die Hasskommentare im Netz!”


Auch ihr Amtskollege aus Ulm, OB Martin Ansbacher, sah in der Demonstrationsparade ein klares Zeichen für Vielfalt, Akzeptanz und gemeinsame Werte:
“Der CSD ist nicht nur eine Feier, sondern im Kern ein Aufstand gegen Unterdrückung. […] Egal, wen du liebst, Ulm liebt dich!”
Schirmfrau Claudia Roth, ehemalige Staatsministerin für Kultur und Medien, erinnerte in ihrer Rede daran, wie wichtig es ist, gemeinsam Haltung zu zeigen:
„Wir sind hier unter Gleichen, die niemand die Verschiedenheit streitig machen.
Wir sind hier unter Menschen, die jede und jeden Mensch sein lassen.
Genau so wie es im allerschönsten Satz geschrieben steht – dem Artikel 1 unseres Grundgesetzes: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar.‘“



Auch Pfarrer Jean-Pierre Barraud von der Petruskirche richtete Worte an die Gäste des CSD. Er betonte die Bedeutung von Solidarität und Mitgefühl als zentrale Werte des Glaubens – besonders gegenüber Menschen, die Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren. Mit seiner Rede machte er Mut, Brücken zwischen Kirche und queerer Community zu bauen und Räume der Sicherheit und Anerkennung zu schaffen.
Der Schauspieler Jonathan Berlin schlug den Bogen von seiner persönlichen Jugend in Ulm zur heutigen queeren Realität:
„Ich erinnere mich an mich als 13-jährigen Jungen, der damals nicht er selbst sein konnte – und im Theaterspielen Zuflucht gesucht hat. Wie gerne würde ich heute dieses 13-jährige Ich von damals in den Arm nehmen und sagen, dass alles richtig ist. […] Lasst uns aufeinander Acht geben. Denn solange nicht alle von uns sicher sind, ist niemand von uns sicher. Mein 13-jähriges Ich hätte sich über wenig so sehr gefreut, wie euch alle hier zu sehen. In aller Schönheit, aller Vielfalt.“
Einen besonders bewegenden Moment lieferte die Rede der trans Frau, Aktivistin und Autorin Johanna Baader, die ihre Erfahrungen als trans Person mit dem Publikum teilte:
„Ja, heute stehen wir hier zusammen, um für unsere Rechte zu kämpfen. Es ist ein fortwährender Kampf – aber einer, den wir annehmen müssen. Mut und Entschlossenheit sind die Pfeiler unseres Weges. Wir fordern nicht nur Respekt, Gleichbehandlung und Zugang zum Gesundheitssystem – wir bieten auch etwas an: Freundschaft, Liebe, Aufklärung und Unterstützung. Wir sind hier, wir sind laut, wir sind stolz!“



Im Anschluss sprach Scout für die queere Selbsthilfegruppe “disabled and queer” für Jugendliche mit Behinderung, chronischen Erkrankungen oder Neurodivergenz:
„Queere Sichtbarkeit bedeutet nichts, wenn sie nicht für alle gilt. Barrierefreiheit ist kein Sonderwunsch – sie ist Voraussetzung für echte Inklusion. Wir haben diese Gruppe nicht gegründet, weil wir Mitleid brauchen, sondern weil wir Räume brauchen, in denen wir stark sein können. Gegen Ableismus. Gegen Queerfeindlichkeit. Gegen Unsichtbarkeit.“
Robin Schmitz und Katharina Faller stellten für den veranstaltenden Verein das diesjährige Motto „Keinen Schritt zurück“ vor – ein bewusst gewähltes Signal angesichts der zunehmenden Angriffe auf queeres Leben in Deutschland und Europa durch den Rechtsextremismus. Sie erinnerten daran, dass Rechte nicht selbstverständlich sind und täglich verteidigt werden müssen. In ihrem Redebeitrag gingen sie auf die Forderungen im Rahmen des CSD ein, wie beispielsweise politische Maßnahmen zur echten Gleichstellung – zum Beispiel die vollständige Gleichstellung beim Adoptionsrecht und die Einrichtung eines Vielfalts-Beauftragten bei der Stadt Neu-Ulm.
Das Bühnenprogramm überzeugte mit starken Live-Acts: Der preisgekrönte A-Capella-Chor Choriosity, die junge Newcomerin Okami, das Indie-Duo LISÆ, die queere Popband SHRX und die Tanzschule FKV Dance begeisterten das Publikum. Zwei Drag Shows sorgten für Glanz, Humor und Standing Ovations.



Am Abend wurde der Petrusplatz von 20 bis 22 Uhr zur größten Tanzfläche der Stadt: Bei der Open-Air-Party legte DJ Luke Miller auf, und als Überraschung betrat Drag-Ikone Sasha Glam aus Berlin die Bühne. Später trat sie noch zweimal bei der offiziellen SHINE After-Show-Party im cocomo auf, die das Programm spektakulär abrundete.
Neben Musik und Politik bot der CSD auch 25 Infostände, eine Fotobox und einen dekorativen ID.Buzz. Der CSD verstand sich erneut als Einladung an die gesamte Stadtgesellschaft – mit dem Ziel, Verständnis zu fördern, Begegnungen zu ermöglichen und das queere Leben in der Region sichtbar und sicherer zu machen.
„Wir wollen raus aus unserer Bubble – und rein in die Mitte der Gesellschaft“, so Alpay Artun. „Denn queere Rechte sind Menschenrechte. Und Menschenrechte brauchen Mehrheiten.“
Der CSD verlief friedlich und ohne größere Zwischenfälle. Es gab einige Pöbeleien und Störversuche, die jedoch auch dank des Einsatzes der Sicherheitskräfte schnell unterbunden wurden. Vorfälle wie diese untermauern die Notwendigkeit von Veranstaltungen wie dem Christopher Street Day.



Wir bedanken uns bei allen, die den 21. Juni 2025 zu einem gemeinsamen Fest gemacht haben. Unseren Sponsor*innen danken wir, dass sie den CSD finanziell ermöglicht haben.
Der nächste CSD Ulm.Neu-Ulm findet 2026 wieder auf dem Ulmer Münsterplatz statt.